Memento mori

29. Juni 2009 um 19:54 | Veröffentlicht in Denkwürdiges | 7 Kommentare

 Quelle: cobalt123/ flickr.com

Der heutige Tag hatte sich den Tod auf die Fahne geheftet.

Heute war mein erster Arbeitstag nach dem Urlaub und bereits am Weg zur Arbeit begegnete ich mitten im Berufsverkehr einer Entenfamilie, die gerade versuchte die Autobahn zu queren…vorneweg die Entenmutter, hintennach trippelten ihre vier Kinder. Ich konnte gerade noch auf den Pannenstreifen ausweichen, soweit ich es im Rückspiegel sehen konnte, dürfte auch der nach mir kommende Wagen selbiges Ausweichmanöver absolviert haben, denn die Enten erreichten gerade noch den Mittelstreifen. Leider jedoch war der Verkehr auf der Gegenfahrbahn noch dichter und ich befürchte das schlimmste…im Radio lief gerade „Forever Young“ von Alphaville, was für ein Hohn.

In der Arbeit startete ich gleich mit dem morgendlichen Leichen-Fischzug durch die Aquarienanlage…üppige Ausbeute besonders bei den Goldfischen, die offenbar gerade einer Medikation unterzogen waren. Was ihnen fehlte, kann ich nicht sagen, da ich ja zwei Wochen nicht im Laden war. Später dann drei Tote im Mäusegehege – das Wasser war über das Wochenende knapp geworden und einige der Tiere dürften offenbar an einer Art Durchfall erkrankt gewesen sein, eine weitere Maus war dem Tod bereits sehr nah… und genau jener wollte ich den Übergang etwas erleichtern um ihr einen raschen kurzen Tod durch eine Schlange zu ermöglichen. Ich öffne also das Terrarium der zwei jungen Boa Constrictors, wo mir muffiger Geruch entgegen schlug…die kleinere der beiden Boas, die ein wenig im Wachstum zurückgewesen war, war übers Wochenende „entschlafen“ – sie lag tatsächlich da, als ob sie nur schlafen würde. Durch die Wärme des Lichtspots war sie sogar noch warm und weich wie ein lebender Körper, jedoch zeigte sie keinerlei Regung mehr. Schade, dachte ich mir und packte das arme Tier ein wenig traurig und enttäuscht in die Tiefkühltruhe. Die todkranke Maus war hingegen der zweiten Boa sehr willkommen – irgendwie hat fast jede Misere einen Nutznießer…das ist eine Tatsache, die im kleinen zutrifft wie auch im großen Rahmen, wenn man sich die aktuelle Lage der Welt anschaut. So makaber es klingt: ein toter Michael Jackson läßt die Kassen der Nutznießer mehr klingeln als seine eigenen leeren Kassen in den vergangenen Jahren es je tun hätten können.

Das nächste, das ich durchführte, war eine Generalreinigung des Mäusegeheges, danach widmete ich mich der Reptilienpflege. Unter den Bartagamenbabies fiel mir dabei ein Tier auf, das einen seltsam schwarzen Fuß herunterhängen hatte. Bei genauerer Betrachtung stellte ich fest, daß der Fuß nekrotisch war: vermutlich hatte sich eine Hautverletzung entzündet und sich tief ins Gewebe vorgearbeitet. Für so eine schlimme Infektion reicht oft sogar bereits eine winzige Bißverletzung, die man leicht übersieht. Was nun? Ich zeigte das Tier meinem Chef, der mir riet, das Tier zu verfüttern. Mist – warum immer ich? Naja, die Alternative wäre gewesen die kleine Babybartagame beim Tierarzt einer Beinamputation zu unterziehen und als Pflegefall nach Hause mitzunehmen. Nein, dachte ich mir, das kann ich jetzt nicht durchziehen – bei mir zuhause wohnen bereits einige Pfleglinge und ich kann mir doch nicht ständig jedes verletzte oder kranke Tier mit nach Hause nehmen. Man gerät sehr leicht in Versuchung in diesem Job und halst sich dann ständig Arbeit für die eigene Freizeit auf, und man klaut sich selbst zuhause den Lebensraum. Meist gewöhnt man sich an die Pfleglinge, da man ja sehr viel Herzblut in ihre Genesung investiert hat, und schafft es dann auch nicht mehr sie weiterzuvermitteln. Also faßte ich mir ein Herz und drückte beide Augen fest zu, als ich den Zwerg zu seinen ausgewachsenen Artgenossen ins Terrarium hielt. Gottseidank fackeln Bartagamen nicht lang – was ins Maul paßt, ist ratzfatz weg…ein kurzer Moment, vielleicht zwei, drei Sekunden,  und es ist vorbei. „War das jetzt bestialisch von mir?“, denke ich und wische den Gedanken hurtig weg, indem ich mir sage: Mäuse verfütterst du ja auch an Schlangen – die müssen ja auch essen. Insgeheim gehe ich im Kopf meine Strichlisten durch…und ich bin zuversichtlich, denn die Liste der Tiere, die ich im Laufe meines Lebens bereits gerettet habe ist länger als die meiner Opfer…und ich belüge mich schon wieder selbst, da ich vergessen hatte all die Kotelets und Grillhühner dazuzurechnen, die ich vertilgt habe. Nein, in diesem Gewerbe darf man nicht zimperlich sein, aber man darf guten Willens bleiben, denn wenn man es schafft sich ein Quäntchen Idealismus zu bewahren, so ist der Job im Zooladen ein Traumjob. Am Heimweg habe ich übrigens keine Entenleichen gesichtet – ich klammere mich fest an der Hoffnung, daß es Überlebende gab…

7 Kommentare »

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  1. Hallo,
    wahrlich kein schöner Arbeitsbeginn. Wünsche dir, dass die verbleibende Woche keine neuen Opfer dazukommen.

    lg.
    miezetina

  2. *klopf auf holz* – heute wars bis auf einige Fische ohne Todesfälle.

  3. Ach Fischtante, ich kann dich so verstehen. Bin auf einem Bauernhof aufgewachsen, wo mit kranken Tieren auch eher „pragmatisch“ umgegangen wurde. Ich sehe die Notwendigkeit ein, einem Tier Leiden zu ersparen und trotzdem blutet mir immer wieder das Herz. Auch wenn es nur die halbtote Maus ist, die der Kater schon wieder liegenlassen hat, es tut mir immer wieder weh. Die Verfütterungsaktion was in meinen Augen gerechtfertigt. Wenn schon tot, dann wenigstens verwertet.

    PS: Hier hat vor kurzem die Polizei die Autobahn kurzzeitig gesperrt, um eine Entenfamilie vom Mittelstreifen zu holen. (Es gab auch Applaus von Seiten der Autofahrer.) Vielleicht war es bei euch ähnlich?

  4. Heute mußte ich mich wieder sehr ärgern. Vor kurzem hatten sich einige Kunden beklagt, daß wir zuwenig lebende Baabymäuse bestellt hatten, also bestellten wir diese Woche wieder mehrere, weil die Leute ankündigten sie würden diese dringend brauchen. Tja und was war: es kam nur ein einziger um zwei Babymäuse zu kaufen. 7 Babies konnten wir einer Ammenmaus unterjubeln, einige weitere mußte ich an unsere ladeninternen Tiere verfüttern, und etwa 8-10 Babymäuschen sind leider verendet. So etwas kotzt mich an…ich habe zu meinem Chef nun auch gesagt, daß wir in Zukunft nur mehr am Lieferungstag und am direkt darauffolgenden Tag Babymäuse anbieten und die Kunden auch eindringlicher darauf hinweisen. Alle, die bis dann nicht verkauft sind, verfüttern wir selbst, sonst sterben die armen Tierchen einen absolut unnützen Tod.
    Das fällt quasi unter „Kundenerziehung“, denn ich habe es satt, daß manche Leute meinen, daß man Lebendfuttertiere überall und jederzeit einfach so bekommt – die Leute denken nicht nach, woher diese Tiere kommen und daß man sie ja ihren Müttern wegnehmen muß, nur damit der Kunde seinen Reptilien oder Spinnen den Luxus einer Lebendfütterung gönnen kann. Daß die Babies bereits nach spätestens 2 Tagen anfangen zu sterben ohne ihre Mütter, daran denken sie nicht.

  5. Ein skurriler Blog und eine skurrile Geschichte hier über die toten Tiere. Danke. Ich verstehe nur nicht, wieso du die tote Schlange in die Tiefkühltruhe steckst? Hast du mit ihr noch etwas vor?

  6. Hallo genova!
    Ich lagere die toten Tiere in der Tiefkühltruhe zwischen – von Zeit zu Zeit werden dann die Kadaver beim städtischen Wasenmeister zur fachgerechten Entsorgung gebracht.
    LG
    Fischtante

  7. […] 21. Juli 2009 · Kommentar schreiben So angenehm kann man mit dem Tod umgehen. Eine Zooladenangestellte bloggt über ihren Berufsalltag und tote Tiere: Memento mori. […]


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